22.07.15

Tag der interkulturellen Begegnung

Interkulturalität erfährt im Zeitalter zunehmender Globalisierung und der damit verbundenen Herausforderungen einen immer höheren Stellenwert. Der diesjährige „Politische Tag“ der Jahrgangsstufe 1 des Hebel-Gymnasiums am 20. Juli 2015 stand daher unter dem Motto „Interkulturalität als Chance und Herausforderung“.

Beteiligt in der Vorbereitungsgruppe waren die Fachschaften Gemeinschaftskunde, Religion und Ethik; erstmals waren somit mehrere Fachschaften beteiligt. Aufgrund der aktuellen Flüchtlingsproblematik rückte das Thema Flucht und Migration ins Zentrum des Tages. Gleich in seiner Begrüßung verwies Schulleiter Stefan Ade darauf, dass der interkulturelle Tag nicht nur wichtig, sondern geradezu geboten sei. Er betonte die Notwendigkeit einer Willkommenskultur, um „dumpfem fremdenfeindlichen Gedankengut vorzubeugen“ und forderte die versammelten Oberstufenschülerinnen und Schüler auf, eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem schwierigen Themenkomplex zuzulassen.Die Landtagsabgeordnete Rosa Grünstein (SPD), die im Wahlkreis 140 für Schwetzingen zuständig ist, überbrachte die Grüße ihrer Fraktion. „Mischt euch ein!“ forderte sie die jungen Leute auf, „Ihr gestaltet die Zukunft.“ Gleichzeitig drückte sie ihre Freude aus, mit den jungen Leuten ins Gespräch zu kommen. Die Schülerinnen und Schüler des Hebel-Gymnasiums habe sie von den Landtagsbesuchen her in ausgesprochen guter Erinnerung.

In einem einführenden Referat legte die Heidelberger Altstadträtin Ulrike Duchrow die Flüchtlingsproblematik umfassend dar. Danach wurden in fünf parallelen Workshops Aspekte des Tagesthemas bearbeitet. So ging es im Workshop 1 um „Religiöse Vielfalt als Chance und Herausforderung“. Die jüdische Religionslehrerin und Bildungsreferentin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Susanne Benizri zeigte einen Film, den sie mit jüdischen Jugendlichen gedreht hatte. Deutlich wurde der Wunsch der jungen Menschen, ganz normal „wie alle anderen“ behandelt werden zu wollen und sich nicht ständig erklären zu müssen. In der Diskussion ging es um das jüdische Menschenbild, das dem Menschen die Verantwortung auferlegt, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. „Liebe deinen Nächsten. Er ist wie du“. Dieser Gedanke aus der Thora war das Ergebnis des intensiven Gespräches, den eine Schülerin weiterführte mit dem Satz: „Und habe Mut, es zu tun!“Beim Workshop 2 stand das „Leben in zwei Kulturen“ im Mittelpunkt.

Als Gäste berichteten Dr. Beate Mochayedi, eine ehemalige Ärztin aus Mannheim, die sich ehrenamtlich für Flüchtlinge engagiert und Zahra AlibabaNezhad Salem, ehemalige Hebel-Schülerin und nun Mitarbeiterin an der Uni Mannheim, von ihrem bikulturellen Alltag. Sie vertraten den Standpunkt, dass Toleranz allein zu wenig sei, vielmehr gehe es um Akzeptanz und um eine offene Kommunikation in der Gesellschaft.Der Aspekt der Menschenrechte stand im Zentrum des dritten Workshops, bei dem zwei ehrenamtliche Mitarbeiterinnen von „amnesty international“, Ann-Kathrin Wiedergrün und Gudula Dinkelbach, die Problematik von Flucht und Asyl beleuchteten. Hussein Rezai, ein junger Afghane, der als Asylbewerber in Schwetzingen-Hirschacker im Flüchtlingscamp lebt, erzählte seine Fluchtgeschichte, die vor 11 Jahren in Afghanistan begann. Aus religiösen Gründen musste er vor der Verfolgung durch die Taliban flüchten. Sein Weg führte den damals Vierzehnjährigen über Pakistan, Iran zur Türkei und nach Griechenland, schließlich nach Deutschland, wo er jetzt auf den Asylbescheid wartet. Er hat die Zeit genutzt, die deutsche Sprache gelernt und seinen Hauptschulabschluss gemacht. Ab Herbst will er eine Ausbildung beginnen und für seinen Unterhalt selbst sorgen. Die Schüler waren sehr beeindruckt von der Integrationsbereitschaft und Offenheit des jungen Mannes.

Woher kommt die Angst vor dem Fremden und was kann man dagegen tun? Mit den psychologischen Faktoren der Fremdenfeindlichkeit beschäftigten sich die Schülerinnen und Schüler im vierten Workshop, der von den Religionslehrern Dr. Henning Hupe und Daniel Heilmann geleitet wurde.Im fünften Workshop, den Oberst a.D. Heinrich Quaden und OStR Hans Schreiner konzipiert hatten, wurde die Problematik aus der Perspektive der internationalen Politik beleuchtet. Als Experte stand hier der frühere Militärattaché Heinrich Quaden, der als ausgewiesener Afrika-Kenner gelten kann, als Gesprächspartner zur Verfügung. Unter anderem wurden hier die jüngst publizierten Thesen Heribert Prantls diskutiert, der u.a. für eine neue Schutzkultur für Flüchtlinge in der EU plädiert.Prantls Thesen waren auch der Leitfaden der Podiumsdiskussion im Plenum, die von der Religionslehrerin Gerda Kunkel geleitet wurde.

Hier wurde die moralische Verantwortung Deutschlands in der Flüchtlingsfrage angesprochen, die in seiner mächtigen wirtschaftlichen und politischen Position in Europa gesehen werde, andererseits auch in seiner Rolle als wichtigem Waffenexporteur, was von einem Teilnehmer besonders vehement als Schuldfaktor für Kriege bewertet wurde. „Was können wir tun? Wo sind die Lösungen?“, so lautete eine Frage der Schüler, die immer wieder auftauchte. So ging es darum, was Politiker, aber auch der Einzelne tun könnten, um zu helfen. Heinrich Quaden fasste mögliche Lösungsperspektiven kurz zusammen: Es gehe darum, Flüchtlinge zu retten und zu schützen, die Schleuser zu bestrafen und gleichzeitig Flüchtlingsrouten offen zu lassen, darüber hinaus müssten aber auch die Ursachen bekämpft werden.Ergänzt wurde dies durch den Appell der ehrenamtlich Engagierten auf dem Podium, die Schüler möchten sich einmischen, wählen gehen, Vorurteilen entgegentreten und Positionen beziehen. Es sei wichtig, am gesellschaftlichen und politischen Leben zu partizipieren und so die Zivilgesellschaft aktiv zu gestalten. „Ein bisschen viel Moral“, kritisierten einige Schüler die Diskussion im Nachhinein, aber viele räumten ein, dass sie ins Nachdenken gekommen seien.

„Die persönlichen Erfahrungsberichte, die wir gehört haben, waren sehr bereichernd, sie bringen mehr als der herkömmliche Unterricht“, fasste es Leslie Carleton-Schweitzer zusammen, die in Kooperation mit ihrem Klassenkameraden Valentin Demel die Tagesmoderation innehatte. Eines sei jedenfalls deutlich geworden: Alle Menschen hätten ein schönes Leben verdient!Zum Abschluss des insgesamt sehr informativen Tages, der neben sachlichen Impulsen viele wertvolle Gespräche und Diskussionen gebracht hatte, waren alle eingeladen zu einem internationalen Imbiss. Mit großem Engagement hatten die Eltern – allen voran die Elternbeiratsvorsitzenden Dr. Britta Thießen und Iris Crammer – ein reichhaltiges, buntes Büffet organisiert. Sie hatten dafür auch Sponsoren gewinnen können; so spendierte REWE Mineralwasser und frisches Obst für alle. Das Genießen der kulinarischen Köstlichkeiten bot einen schönen Rahmen für informelle Gespräche zwischen Lehrkräften, Schülern und den eingeladenen Gästen und damit eine Vertiefung von Austausch und Begegnung.(Hanna Schwichtenberg, gemeinsam mit StD Thomas Steinhardt federführende Koordinatorin des Vorbereitungsteams des „Interkulturellen Tages“ 2015)