14.07.19

Erziehung durch grausame Strafen – Jugendromane erinnern an düstere DDR-Geschichte: Ergreifende Lesung im Hebel-Gymnasium

Unvorstellbare Grausamkeiten erlebten die Jugendlichen, die in die Erziehungsanstalt Torgau in der ehemaligen DDR kamen. Anlass war manchmal nur Schulschwänzen und schon kamen die Schüler in den Jugendwerkhof, wo sie zu „sozialistischen Bürgern“ erzogen werden sollten.

Die 14jährige Neuntklässlerin Anja erlebt dort die Hölle. Denn die Erziehung bestand nur aus Strafen, Demütigungen, Essensentzug, Isolierhaft und anderen Maßnahmen, die an Zuchthaus und KZ erinnern. 
Die Autorin Grit Poppe hatte als Schülerin selbst erlebt, wie zu DDR-Zeiten ihre Familie von der Staatssicherheit Stasi verfolgt wurde. In ihrem Jugendroman „Weggesperrt“ erzählt sie die Geschichte eines Mädchens, die in dem geschlossenen Jugendwerkhof körperlich und seelisch gequält wird. Die Erzählung basiert auf zahlreichen Opferberichten. Die Autorin hat für den Roman intensiv recherchiert und brachte für die Lesung im Hebel-Gymnasium auch dokumentarische Filme und Fotos mit.  
Die Jugendlichen wurden bei kleinsten Vergehen eingeliefert (ohne Eltern zu informieren), die Schulausbildung wurde durch einen sinnleeren Behelfsunterricht ersetzt. Tagsüber herrschte Drill und Arbeit bis zur Erschöpfung. Nachts wurde die einzige Schlafpritsche heruntergeklappt und Kleidung eingeschlossen (daher war eine nächtliche Flucht nur im Schlafanzug möglich). Viele inhaftierte Jugendliche versuchten zu fliehen, indem sie sich selbst verletzten und dann in ein Krankenhaus kamen, wo sie aber auch dort von einem Aufseher begleitet wurden.
Grit Poppe las einige Passagen aus dem Roman und ergänzte die Lesung durch Zeugenberichte. Die neunten Klassen waren ergriffen von der Willkür, mit der die Erzieher die Jugendlichen behandelten. Für die zehnten Klassen las die Potsdamer Autorin aus „Schuld“, in dem es um zwei Jugendlichen in den letzten Jahren der DDR geht. Auch hier werden anschaulich der Konflikt und die Auseinandersetzung mit dem totalitären Regime – und die Folgen im Jugendstrafvollzug - geschildert. Beide Lesungen hatte Veronika Lippolt von der Hebel-Bibliothek organisiert.
(Birgit Schillinger)