20.05.23

Ergriffene Stille, wenn eine Zeitzeugin berichtet - Die 93jährige Karla Spagerer als Gast beim Hebel-Treff

Erfreulich viele Schüler haben dieses Mal den Hebel-Treff besucht. Auch zahlreiche Lehrkräfte und Eltern kamen in den schließlich restlos besetzten Musiktrakt. Wohl wissend, dass sich so eine Gelegenheit nur sehr selten ergibt: Die Zeitzeugin Karla Spagerer berichtete von ihren Erlebnissen in der Zeit des Nationalsozialismus. Die 93jährige Mannheimerin war vier Jahr alt, als Hitler an die Macht kam. Sie möchte der heutigen Jugend von ihren Kindheitserinnerungen, die sie prägten und zur überzeugten Sozialdemokratin machten, erzählen und besucht daher mit viel Engagement besonders gerne Schulen.

Ihre Berichte waren so authentisch, dass teilweise eine ergriffene Stille bei den Zuhörern eintrat. So erzählte sie, wie sie als Siebenjährige die Verhaftung ihrer Großmutter erlebte: „18 Monate Zuchthaus – das war eine lange Zeit für eine Enkelin, die ihre Großmutter vermisst.“ Auch an die Reichspogromnacht hatte sie traumatische Erinnerungen: „Wir sahen, wie sie Frauen und Männer abtransportierten.“ Am nächsten Tag war sie von der Zerstörung der jüdischen Firma, in der ihr Vater arbeitete, geschockt.

 

Schließlich berichtete Frau Spagerer, wie sie auch Zeitzeugin der stalinistischen Verfolgung geworden war. Ein Onkel von ihr, der als Kommunist der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt war, floh in die Sowjetunion. Erst vor wenigen Jahren erfuhr sie, dass ihr Onkel in einem der zahlreichen Straf- und Arbeitslager umgekommen war, die auch als „Gulag“ bezeichnet wurden.

 

Mit Ernsthaftigkeit, aber auch mit Witz sprach sie offen über ihr Leben – verknüpft mit der Botschaft und dem Appell vor allem an die jüngeren Zuhörer, die Demokratie zu unterstützen und nur demokratische Parteien zu wählen. Daniel Born, Vizepräsident des Landtags, begleitete schon mehrfach die Seniorin bei öffentlichen Auftritten, auch weil er ihr Plädoyer für die Demokratie bekräftigen möchte: „Es ist wichtig, dass wir die Erinnerung weitertragen, um unsere Demokratie zu erhalten“, erklärte der SPD-Politiker. Die informative und einfühlende Moderation hatte Geschichts- und Gemeinschaftskundelehrer Harald Paulsen übernommen. Zum Hebel-Treff hatten Schulleitung, Elternbeirat und Freundeskreis des Hebel-Gymnasiums Schwetzingengemeinsam eingeladen. Der Eintritt war frei, durch Spenden kamen 600 Euro für ein Waisenhaus in Kongo zusammen.

 

Birgit Schillinger

Zeitzeugin Karla Spagerer (Mitte) berichtete beim Hebel-Treff eindrücklich von ihren Erlebnissen im Nationalsozialismus. Moderiert haben Lehrer Harald Paulsen (links) und SPD-Politiker Daniel Born.
Zeitzeugin Karla Spagerer (Mitte) berichtete beim Hebel-Treff eindrücklich von ihren Erlebnissen im Nationalsozialismus. Moderiert haben Lehrer Harald Paulsen (links) und SPD-Politiker Daniel Born.